Die letzte Bastion wurde gestürmt – ist das jetzt die Stunde der Antizykliker?

Martin Garske ist Prokurist und seit 2013 Fondsberater. Als Vertriebsdirektor betreute er zuvor seit 2002 institutionelle Kunden bei apano. Zuvor war er lange Zeit u.a. als Wertpapierberater/-betreuer bei der Dresdner Bank AG beschäftigt. Darüber hinaus arbeitete er bei der Dresdner S.A. Lux im Bereich International Private Banking und als Portfoliomanager und Vermögensverwalter.

Der Druck war dann doch zu groß. Unter der Vielzahl an negativen Einzelfaktoren brach nun auch der bislang hartnäckige Widerstand der US-Märkte. Damit konnte sich die überfällige Marktkorrektur ungestört ihren Weg durch die globalen Aktienmärkte bahnen. Der heutige Montag belegt, wie falsch es jedoch ist, allein China für die katastrophale erste Handelswoche 2016 verantwortlich zu machen. Denn auch heute verliert der Shanghai Composite Index erneut mehr als 5%, Europas Märkte aber zeigen sich widerstandsfähig. Kann daraus aber bereits abgeleitet werden, dass das Schlimmste überstanden ist?

Was kam denn über das Wochenende an neuen Fakten auf den Tisch? Der Rand, die Währung Südafrikas, bricht massiv ein. In Hongkong schnellen die Zinssätze für Yuan-Kredite hoch. Der Index für die EM-Aktienmärkte steht auf USD-Basis auf 5-Jahres-Tief. Die Industrierohstoffe fallen ungebremst weiter. Die Situation für die Emerging Markets wird immer bedrohlicher, das ist nicht die Basis, auf der eine tragfähige Aufwärtsbewegung entstehen kann. Freilich ist das derzeitige Umfeld für kurzfristig denkende Antizykliker verlockend. So steht der marktbreite US-Aktienindex Russell 2000 exakt auf seinem 2-Jahrestief von Spätsommer 2014. Rückwirkend betrachtet war dieser Level damals eine exzellente Kaufgelegenheit. Vielleicht funktioniert es ja wieder?

Ich bin skeptisch, denn die derzeitigen Probleme sind viel tiefgehender als im Sommer 2014. Mit einer echten Unterstützung rechne ich erst, wenn der große Bruder des Russell, der S&P 500, sein 2-Jahrestief erreicht. Das ist aber erst bei 1.850 der Fall, das kurzfristige Abwärtspotenzial dieses eher trägen Index beträgt damit noch 4%. Da Europas Börsen meist eine gehebelte Dynamik zeigen, ist das Rückschlagspotenzial beim DAX damit bei weiteren 10% zu sehen. Damit könnte der deutsche Leitindex bis auf 9.000 Punkte fallen, bevor fester Boden erreicht ist.

Fazit: Der Druck auf die Währungen, Aktien und Anleihen der Emerging Markets wird immer größer. Zugleich verschlechtert sich in beängstigendem Tempo die Situation der globalen Primärindustrie und ihrer Zulieferer. Heute beginnt in den USA die Berichtssaison für das 4. Quartal 2015. Die Erwartungen sind extrem niedrig. Darin liegt die schwierige Unberechenbarkeit für diese Woche. Denn obwohl die fundamentalen Fakten für weiter fallende Kurse sprechen, könnten positive Überraschungen von Corporate America eine kleine Erholungsrallye einläuten. Damit schließt sich der Kreis: Es kann durchaus sein, dass die Kursstabilität von heute getragen wird von mutigen Antizyklikern, die genau darauf spekulieren.

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