Unberechenbar, streitlustig und impulsiv – US-Präsident Donald Trump gibt Rätsel auf. Dabei verhält er sich ähnlich wie zu seiner Zeit als Unternehmer. Markus Sievers erklärt, warum es Trump nur auf den eigenen Vorteil ankommt.
Der amerikanische Präsident ist für uns Börsianer in den letzten Wochen noch einmal mehr zur Herausforderung geworden. Im Lichte seiner inzwischen mehr als 38.000 Tweets zu unterschiedlichen Themen und mit oft provokativem Inhalt ist es ein echtes Problem, eine Strategie auszumachen, der Donald Trump folgt.
In Gedanken bei Trump erinnerte ich mich an ein Gespräch in Zürich kurz vor der Präsidentschaftswahl an einem Wintertag Anfang November vor anderthalb Jahren. Inzwischen war der milliardenschwere Immobilienunternehmer als nächster US-Präsident möglich geworden. An diesem Abend in Zürich traf ich im Rahmen einer Investorenkonferenz bei einem Abendessen mit verschiedenen Hedgefonds-Managern aus den USA zusammen.
Neben mir saß ein Fondsmanager aus New York, ein ehemaliger Arbeitskollege von Amazon-Chef Jeff Bezos. Wir kamen ins Gespräch, zunächst über Jeff Bezos selbst, der wie ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste vor Amazon schon eine Karriere als Hedgefonds-Manager bei D.E. Shaw hingelegt hatte, einem renommierten Hedgefonds in den USA.
Streit als Geschäftsprinzip
Natürlich kamen wir kurz vor der Wahl des US-Präsidenten auch auf Donald Trump zu sprechen. Vorsichtig näherte ich mich diesem Thema an. Noch war nicht klar, wie mein Tischnachbar zu diesem Mann steht. Nach wenigen Sätzen stand fest: Er mochte ihn überhaupt nicht. Und er hatte konkrete, sogar persönliche Gründe dafür: Zu seinem Freundeskreis zählten damals Unternehmer, die mit Trump Geschäfte gemacht hatten – vor allem im Zusammenhang mit Bauarbeiten. Er halte Trump wegen seiner Methoden für unlauter. Freunde hätten ihm berichtet, dass es eine Angewohnheit des Unternehmers Trump gewesen sei, geleistete Arbeiten herunterzuputzen mit dem Hinweis, für schlechte Leistungen nichts, aber auch gar nichts zahlen zu wollen. Es soll so regelmäßig zu Streitereien gekommen sein, bevor Trump die Rechnung mit einem ordentlichen Abschlag bezahlt habe.
Im Gespräch mit dem Fondsmanager erfuhr ich weiter, dass Trump es sich zur Regel gemacht hatte, seine Gesprächspartner unter Druck zu setzen – immer in dem Wissen, dass langwierige juristische Streitigkeiten zu deren Nachteil waren. Lieber ließen sich die Geprellten auf einen Deal ein, der für Trump von Vorteil war.
Keine Kompromisse
Gerade in den letzten Wochen und auch wieder ganz aktuell im politischen Tagesgeschehen erinnerte ich mich an dieses Gespräch. Und mir wurde klar, dass dieses Muster auch heute in seinem politischen Handeln in fast allen Themenfeldern zu erkennen ist: Strafzölle und Handelsbeschränkungen mit China, Streit mit der EU über Handelsbilanzen, Angriffe auf Deutschland wegen unserer Rüstungsausgaben, unseren Prestigebranchen, unseren Beziehungen zu Russland im Zusammenhang mit unserer Energieversorgung. Dabei weiß er mitunter mehrmals in nur einer Woche seine internationalen Gesprächspartner zu diskreditieren, um ihnen anschließend größten Respekt zu zollen. Man erinnere sich beispielsweise an seine Tweets über den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un. Erst ein „Rocket man“, der später dann nach seinem Treffen und weichen Zusagen zum „Ehrenmann“ avancierte. So greift er dieser Tage Angela Merkel im Grundsätzlichen und Theresa May für ihre Brexit-Strategie im Speziellen an. Ich denke vielen Menschen kommt der amerikanische Präsident dabei immer unberechenbarer und sprunghafter vor. Dabei folgt Trump doch im Prinzip immer wieder dem gleichen Muster. Er stellt Maximalforderung. Er will immer den guten Deal für sich suchen. Er will Geschäfte machen und sichtbar als Gewinner aus den Verhandlungen gehen. Kompromisse oder seriöses, weltmännisches Auftreten gehören dabei nicht zu seinen Stärken. Schon deshalb, weil sie nicht Teil seiner Strategie sein können.
Ja, es wird zu Handelsstreitigkeiten kommen. Klagen der EU und China vor der Welthandelsorganisation gestalten sich langwierig. Sollte es überhaupt zu Ergebnissen kommen, werden diese wirksam sein, weil zwischenzeitlich längst harte Fakten geschaffen wurden. Handelskriege haben keine Gewinner, so mag Trump kalkulieren, aber vielleicht verliert die USA weniger.
Der amerikanische Präsident setzt mit seiner Masche der Maximal-Positionen seine Partner unter enormen Druck. Er lässt Listen mit hunderten von Produkten verteilen, die er mit zehnprozentigen Zöllen belegen will, wie im Fall Chinas. Und er droht sogar mit dem Nato-Austritt, wenn die Mitglieder, allen voran Deutschland, nicht ihre Rüstungsausgaben erhöhen und zwar sofort. Trump droht auf dem Nebengleis mit Einfuhrzöllen auf deutsche Autos, die ihm auf den Straßen der USA längst ein Dorn im Auge sind.
Wer nun entlang der Twitter-Aktivitäten des Präsidenten attestiert, dieser wäre nicht berechenbar, der irrt. Wie bei seinen Bauvorhaben wird er seine „politischen Rabatte“ bekommen und auch viele seiner Ziele durchsetzen können. Doch am Ende muss Trump einen hohen Preis zahlen, denn langfristig wird der US-Präsident viele gewachsene wie auch neuere Beziehungen politischer und wirtschaftlicher Art zerstören. Wie bei seinen Bauaktivitäten wird jemand, der einmal mit ihm gebaut hat, nicht noch einmal mit ihm bauen wollen.
Erschienen als Gastbeitrag in „Das Capital“ am 19.07.2018.