„Sind Spekulanten schuld an der Krise?“ – Diese sicher provokante Frage wurde im Vorfeld des Fondskongress Wien von Experten diskutiert. Gemeinsam mit der Tageszeitung „Der Standard“ luden apano Investments und Man hierzu ein. Über 200 Gäste folgten der Einladung in das Wiener mumok.
Mit dabei waren neben Alexandra Strickner (Mitgründerin von Attac Österreich), Hans Hurschler (Man Group), Christoph Matznetter (SPÖ), Stephan Schulmeister (Wifo), Markus Sievers, geschäftsführender Gesellschafter von apano, und Wilfried Stadler (Ex-Bankvorstand und Buchautor). Dr. Eric Frey, Chef vom Dienst der Zeitung „Der Standard“, moderierte die Veranstaltung (s. Bild v.l.n.r.)
Trotz vieler Standpunkte bestand bei einigen Themen unter den Teilnehmern ungewöhnliche Einigkeit: Die Grundlagen der Krisen der vergangenen 12 Jahre – so der gemeinsame Tenor – sind ursächlich auf fehlende bzw. falsche politische Leitplanken zurückzuführen. Dies betrifft die Zinspolitik der US-Notenbank, die Bewertungskriterien für Staatsanleihen in Bankportfolios oder die Rahmenbedingungen für Schattenbanken und OTC (Over-the-Counter)-Geschäfte. Die Unwissenheit und/ oder die Ignoranz politischer Entscheidungsträger hinsichtlich vieler finanzwirtschaftlicher Zusammenhänge führt langfristig zu systemischen Problemen, im schlimmsten Fall zum Systemkollaps. Die jetzige Situation nahm ihren Ursprung in den falschen Bewertungskriterien für Subprime-Produkte, die (systemisch so vorgesehen) mit dem Rating der jeweils emittierenden Bank versehen wurden. Die Zahlungsfähigkeit der amerikanischen Häuslebauer, deren Kredite in diesen Produkten verpackt wurden, spielte eine nebensächliche Rolle. Diese Produkte wurden von amerikanischen Investmentbanken an Banken und Finanzinvestoren weltweit verkauft. Der Rest ist Krisengeschichte. Um die betroffenen Banken in der ganzen Welt zu retten, wurden Bankschulden zu Staatsschulden und damit zu unseren Schulden. Jetzt tritt das Europa-Problem auf. Eine Währungszone mit unterschiedlichen Fiskalzonen und explodierendem Schuldenstand sucht nach der Lösung durch die Notenpresse. Die EZB versorgt einerseits die Banken mit Liquidität und die Politik sorgt mit den rechtlichen Rahmenbedingungen dafür, dass Banken beim Kauf einer griechischen Staatsanleihe weniger Sicherheit (nämlich keine!) hinterlegen müssen, als beim Kauf einer z.B. Siemens-Aktie. Ist dies ein Systemfehler oder so gewollt?
Uneinig dagegen waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion über die Rolle der „Spekulanten“ in dieser Szenerie. Politiker und Volkswirte würden am liebsten die „Gier der Spekulanten“ mit Medikamenten behandeln oder verbieten. Fondsmanager und Ex-Banker sehen dagegen eine Volkswirtschaft ohne (privates!) Risikokapital als nicht funktionsfähig an. Transaktionssteuern würden vielleicht die schnellen Trader vom Markt vertreiben, aber langfristig auch jeden Sparer treffen, da das Volumen von Pensionsfonds und Altersvorsorgefonds größer ist als das der „High-Frequenzy-Trader“. Die Zeche bliebe also wieder beim Kleinsparer hängen und der Effekt – hier waren sich die Diskutanten wieder einig – wäre marginal und würde das aktuelle Systemproblem nicht lösen. In einer Welt, in der Kapital keine Nationalität hat und per Knopfdruck die Börse wechselt, wären nationale Alleingänge bei Steuern sowieso volkswirtschaftlich negativ. Kapital braucht keinen Wohnort, Arbeitsplätze schon.
Solange wir kein komplett anderes System haben, wird es auch Kapital zum Anlegen geben und damit „Spekulanten“ (also Fondsmanager und Vermögensverwalter) geben „müssen“. Es stellt sich die Frage, ob es verwerflich ist, für das Eingehen von Risiken mit dem eigenen Kapital auch eine Rendite zu erwarten und im besten Fall zu bekommen. Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten.
Fazit: Die Politik ist gefragt! Spekulanten und damit Marktteilnehmer nutzen die Rahmenbedingungen, die sie vorfinden. Nicht mehr und nicht weniger.