Griechenland hat in den vergangenen 10 Jahren weit über seine Verhältnisse gelebt. Land und Bürger nahmen im blinden Vertrauen auf ewiges Wachstum und permanente Wertsteigerung gierig Kredite auf. Der schlimme strategische Denkfehler: Als die Hellenen ihre Drachmen in Euros tauschten, bekamen sie durch den damit verbundenen Zinsrutsch für ein paar Jahre einen enormen Wettbewerbsvorteil geliehen. Diesen hätten sie nutzen müssen, um sich zu entschulden oder um ihre Wettbewerbsfähigkeit der EU anzupassen. Aber sie machten das Gegenteil: Sie erlagen fast alle der Versuchung, mit dem billigen Zinssatz neue Kredite aufzunehmen und kauften sich Wohlstand und Ansehen auf Pump ein. So jagten Staat und Bürger gemeinsam das Tandem aus Preisen und Gehältern nach oben.
Während in Deutschland von Mai 2002-Mai 2011 die Verbraucherpreise um ca. 16% stiegen, rauschten sie in Griechenland um 40% nach oben (Quelle: Global-rates.com). Das ist nicht der richtige Weg zu höherer Wettbewerbsfähigkeit! Ironie des Schicksals: Das wurde deshalb möglich, weil sich Griechenland mit geschönten Bilanzen 2001 den Beitritt zum Euro erschlichen hatte. Genau dies aber versperrt jetzt den Weg zu einer einfachen Lösung.
Besonders bitter: Die Situation eskalierte genau ab dem Moment, in dem die neue Regierungspartei PASOK unter Giorgos Papandreou im Oktober 2009 so ehrlich war, mitzuteilen, dass mit den Zahlen etwas nicht stimme. Die Staatsverschuldung für 2009 wäre mit 12,7% viel höher als von der alten Regierung angegeben. Das bedeutet, die erwarteten Ausgaben des Landes liegen 12,7% über den erwarteten Einnahmen. Anders ausgedrückt: Griechenlands Staatsschulden würden 2009 massiv weiter steigen. Im April 2010 bezifferte das Land seine Schulden mit 273 Mrd. Euro, 115% von dem, was Griechenland in einem Jahr erwirtschaftet.
Wer 1+1 zusammenrechnete, fand spätestens da schnell heraus: Schulden und Wirtschaftskraft harmonieren nicht miteinander. Als dann das Defizit für 2009 auf 13,6% nach oben revidiert wurde, brachen die Dämme: Die Zinsen schossen nach oben.
EU und IWF schnürten Anfang Mai 2010 in Windeseile ein gigantisches Rettungsprogramm, um den sofortigen Kollaps zu verhindern. Trotzdem: Das Vertrauen der Investoren war verloren. Zinsen und damit Kosten für Kreditprolongationen steigen seitdem unaufhaltsam weiter. Immobilienkredite wurden für viele Bürger zur untragbaren Last, Firmen schlossen massenhaft, die Arbeitslosigkeit schnellte hoch. Griechenlands Bonität geriet weiter unter Druck.
Und da stehen wir nun heute – bei CCC. Was hat sich seit Mai 2010 geändert? Die Zinsen sind heute mehr als doppelt so hoch, die Staatsverschuldung liegt Ende 2010 laut europäischer Statistikbehörde Eurostat bereits bei 142%.
Die griechische Zentralbank meldete kürzlich, dass die Griechen allein von Januar-April 2011 über 18,5 Mrd. Euro ins Ausland geschafft haben. Londoner Immobilienmakler berichten, dass wohlhabende Griechen derzeit damit beschäftigt seien, Top-Lagen des Londoner Immobilienmarktes aufzukaufen. Wie hört sich eine solche Information für einen Nicht-Griechen an? Die Reichen ziehen ihr Geld aus dem griechischen Bankensystem ab und überlassen es dem Rest der Welt, das Vakuum mit frischem Geld wieder aufzufüllen.
Natürlich haben die Griechen geschummelt und schwere Fehler begangen. Und es ist auch nicht schön, dass die wirtschaftliche Elite Geld abzieht. Aber Polemik hilft nicht weiter. Die meisten Griechen bangen um ihre wirtschaftliche Existenz und das Wohlergehen ihrer Familien.
Kann es aus dieser Situation überhaupt einen Ausweg geben? Die griechische Mythologie lässt hoffen: Auch das Labyrinth des Minotaurus galt als ausweglose Falle. Dennoch gelang es Theseus, das Problem zu lösen. Er benötigte dazu neben viel Mut nur eine einfache, aber effektive Idee: den Faden der Ariadne.