Game over für Griechenland? (2)

Martin Garske ist Prokurist und seit 2013 Fondsberater. Als Vertriebsdirektor betreute er zuvor seit 2002 institutionelle Kunden bei apano. Zuvor war er lange Zeit u.a. als Wertpapierberater/-betreuer bei der Dresdner Bank AG beschäftigt. Darüber hinaus arbeitete er bei der Dresdner S.A. Lux im Bereich International Private Banking und als Portfoliomanager und Vermögensverwalter.

Griechenland hat in den vergangenen 10 Jahren weit über seine Verhältnisse gelebt. Land und Bürger nahmen im blinden Vertrauen auf ewiges Wachstum und permanente Wertsteigerung gierig Kredite auf.  Der schlimme strategische Denkfehler: Als die Hellenen ihre Drachmen in Euros tauschten, bekamen sie durch den damit verbundenen Zinsrutsch für ein paar Jahre einen enormen Wettbewerbsvorteil geliehen. Diesen hätten sie nutzen müssen, um sich zu entschulden oder um ihre Wettbewerbsfähigkeit der EU anzupassen. Aber sie machten das Gegenteil: Sie erlagen fast alle der Versuchung, mit dem billigen Zinssatz neue Kredite aufzunehmen und kauften sich Wohlstand und Ansehen auf Pump ein. So jagten Staat und Bürger gemeinsam das Tandem aus Preisen und Gehältern  nach oben.

Während in Deutschland von Mai 2002-Mai 2011 die Verbraucherpreise um ca. 16% stiegen, rauschten sie in Griechenland um 40% nach oben (Quelle: Global-rates.com). Das ist nicht der richtige Weg zu höherer Wettbewerbsfähigkeit! Ironie des Schicksals: Das wurde deshalb möglich, weil sich Griechenland mit geschönten Bilanzen 2001 den Beitritt zum Euro erschlichen hatte. Genau dies aber versperrt jetzt den Weg zu einer einfachen Lösung.

Besonders bitter: Die Situation eskalierte genau ab dem Moment, in dem die neue Regierungspartei PASOK unter Giorgos Papandreou im Oktober 2009 so ehrlich war, mitzuteilen, dass mit den Zahlen etwas nicht stimme. Die Staatsverschuldung für 2009 wäre mit 12,7% viel höher als von der alten Regierung angegeben. Das bedeutet, die erwarteten Ausgaben des Landes liegen 12,7% über den erwarteten Einnahmen. Anders ausgedrückt: Griechenlands Staatsschulden würden 2009 massiv weiter steigen. Im April 2010 bezifferte das Land seine Schulden mit 273 Mrd. Euro, 115% von dem, was Griechenland in einem Jahr erwirtschaftet.

Wer 1+1 zusammenrechnete, fand spätestens da schnell heraus: Schulden und Wirtschaftskraft harmonieren nicht miteinander. Als dann das Defizit für 2009 auf 13,6%  nach oben revidiert wurde, brachen die Dämme: Die Zinsen schossen nach oben.

EU und IWF schnürten Anfang Mai 2010 in Windeseile ein gigantisches Rettungsprogramm, um den sofortigen Kollaps zu verhindern. Trotzdem: Das Vertrauen der Investoren war verloren. Zinsen und damit Kosten für Kreditprolongationen steigen seitdem  unaufhaltsam weiter.  Immobilienkredite wurden für viele Bürger zur untragbaren Last, Firmen schlossen massenhaft, die Arbeitslosigkeit schnellte hoch. Griechenlands Bonität geriet weiter unter Druck.

Und da stehen wir nun heute – bei CCC. Was hat sich seit Mai 2010 geändert? Die Zinsen sind heute mehr als doppelt so hoch, die Staatsverschuldung liegt Ende 2010 laut europäischer Statistikbehörde Eurostat bereits bei 142%.          

Die griechische Zentralbank meldete kürzlich, dass die Griechen allein von Januar-April 2011 über 18,5 Mrd. Euro ins Ausland geschafft haben. Londoner Immobilienmakler berichten,   dass wohlhabende Griechen derzeit damit beschäftigt seien, Top-Lagen des Londoner Immobilienmarktes aufzukaufen. Wie hört sich eine solche Information für einen Nicht-Griechen an? Die Reichen ziehen ihr Geld aus dem griechischen Bankensystem ab und überlassen es dem Rest der Welt, das Vakuum mit frischem Geld wieder aufzufüllen.

Natürlich haben die Griechen geschummelt und schwere Fehler begangen. Und es ist auch nicht schön, dass die wirtschaftliche Elite Geld abzieht. Aber Polemik hilft nicht weiter. Die meisten Griechen bangen um ihre  wirtschaftliche Existenz und das Wohlergehen ihrer Familien.

Kann es aus dieser Situation überhaupt einen Ausweg geben? Die griechische Mythologie lässt hoffen: Auch das Labyrinth des Minotaurus galt als ausweglose Falle. Dennoch gelang es Theseus, das Problem zu lösen. Er benötigte dazu neben viel Mut nur eine einfache, aber effektive Idee: den Faden der Ariadne.

Game over für Griechenland? (1)

Martin Garske ist Prokurist und seit 2013 Fondsberater. Als Vertriebsdirektor betreute er zuvor seit 2002 institutionelle Kunden bei apano. Zuvor war er lange Zeit u.a. als Wertpapierberater/-betreuer bei der Dresdner Bank AG beschäftigt. Darüber hinaus arbeitete er bei der Dresdner S.A. Lux im Bereich International Private Banking und als Portfoliomanager und Vermögensverwalter.

Die Lage Griechenlands scheint aussichtslos. Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat die Kreditwürdigkeit des Landes noch einmal drastisch herabgestuft, von B auf CCC.  Das bedeutet, dass kein Staat der Welt in einer hoffnungsloseren Schuldenfalle sitzt, als das Land, das einst die Wiege unserer abendländischen Kultur war. Ein CCC-Rating heißt laut Lexikon, dass es eine aktuell nachweisbare Anfälligkeit gegenüber Zahlungsverzug gibt. Wenn sich die Wirtschaftsbedingungen weiter verschlechtern, gilt die Fähigkeit zur Zinszahlung und Kapital-rückzahlung als unwahrscheinlich. Nur noch eine Stufe tiefer, und Griechenland steht auf D-Default – Game over!

Das Rating ist keine gute Vorlage für die EU-Finanzminister, die sich nun in mehreren Sitzungen über weitere und konkrete Hilfszusagen einigen sollen. Denn die Bürger Europas werden immer weniger bereit sein, weitere Milliarden zu bezahlen. Es wird nämlich immer unwahrscheinlicher, dass dieses Geld jemals zurückgezahlt wird.

Insbesondere deutsche Politiker versuchen schon seit einigen Wochen, die Gemüter zu beruhigen. Dazu werfen sie ein gewichtiges Pfund in die Waagschale: Sie wollen private Gläubiger, also Banken und Versicherungen, zu (freiwilligem) Forderungsverzicht oder zumindest Forderungsaufschub bewegen. Natürlich ist dies nicht viel mehr als eine Nebelkerze, ein politisches Signal nach innen.

Es soll keine Krisengewinner geben. Es darf nicht sein, dass ausgerechnet die Banken den Zinsvorteil, den ihnen griechische Anleihen über Jahre beschert haben, nun ohne eigenes Opfer einstreichen. Denn diese Banken haben die griechische Tragödie durch die Finanzkrise der Jahre 2007-2009 wenn nicht ausgelöst, so doch aber zumindest beschleunigt und verschlimmert.

Neue Finanzspritze für Griechenland?

Markus Sievers ist geschäftsführender Gesellschafter bei der apano GmbH, die er zusammen mit Kathrin Schaper-Nordhues und Detlev Reichert gründete. Seine Schwerpunkte liegen auf PR, Marketing und Vertrieb. Er studierte nach einer kaufmännischen Ausbildung Betriebswirtschaft. Mehrere Jahre war er in führenden Positionen in der Fonds- und Finanzbranche tätig. Markus Sievers ist Autor verschiedener Fachbücher. Als Experte für Alternative Investments und Managed Futures tritt er regelmäßig in Print, Fernsehen und Hörfunk in Erscheinung. Er ist zudem Referent im Rahmen verschiedener Fachveranstaltungen.

Die Griechenland-Krise bleibt aktuell: Sollte Griechenland die Eurozone verlassen? Wie reagieren die Aktienmärkte auf die griechische Finanzmisere?

Bei einem Austritt aus der EU würde Griechenland in die Pleite steuern. Gleichzeitig könnte es zu starken Verwerfungen an den Finanzmärkten kommen, Banken – auch in Deutschland – müssten wahrscheinlich erneut mit Steuergeldern gestützt werden. Die Schulden Griechenlands belaufen sich mittlerweile auf mehr als 300 Milliarden Euro. Davon liegen rund 50 Prozent in der Öffentlichen Hand, bei der EZB oder dem IWF. Aus Sicht des Steuerzahlers wäre dieses Geld verloren.

Keine Lösung scheint heute wirklich gut zu sein. Dennoch halte ich für den einzig gangbare Weg, Griechenland weitere Finanzhilfen zukommen zu lassen. In der Diskussion ist bereits eine Beihilfe von 60 Milliarden Euro. Dieser Betrag würde auf Sicht den Finanzierungsbedarf Griechenlands decken. Allerdings spielt in diesem Zusammenhang das Thema „Zinsen“  noch eine wichtige Rolle. Die derzeitige Zinsbelastung, die bei 6 bis 7 Prozent liegt, wird sich Griechenland nicht leisten können. Es gibt Berechnungen, dass die Zinslast von Griechenland bei 10 Prozent des Bruttoinlandproduktes liegt. Ein realistischer Satz läge zwischen 3 und 4 Prozent. Diese Hilfen verschaffen aber nur Zeit. Entscheidend für die weitere Entwicklung der Situation ist es, wie gut Griechenland mit seinen Reformen vorankommt.

Trotz der Diskussion um Griechenland sind die Aktienmärkte sehr robust. Sie werden von den Anlegern als sicherer Hafen gesehen. Insbesondere die amerikanischen Börsen strahlen sehr viel Ruhe aus. Ich gehe jedoch davon aus, dass sich die Märkte in den nächsten Tagen und Wochen uneinheitlichen entwickeln werden. In der Summe sehe ich eher eine Seitwärtsbewegung. Außerdem sehe ich für die Aktienmärkte die Gefahr, dass es zu einem Rückschlag kommen kann.

 Aktuelle Erholungstendenzen an den Aktienmärkten sind da. Dennoch teile ich die Euphorie vorerst nicht, dass die Aktienmärkte zu neuen Höchstanden kommen. Nach der doch recht guten Berichtssaison bei den Unternehmen gibt es jetzt brennendere Themen. Dazu zählen die volkswirtschaftlichen Entwicklungen, die jetzt wieder in den Fokus rücken.