Darf die EZB zur Rettung des Euro unbegrenzt Staatsanleihen von Schuldenländern ankaufen? Heiligt der Zweck im Notfall die Mittel? Vor dieser schweren Entscheidung stehen die Bundesverfassungsrichter seit Dienstag in Karlsruhe.
Im September 2012 hatte die EZB nämlich angekündigt, unbegrenzt Staatsanleihen hoch verschuldeter Krisenstaaten aufzukaufen. Die Entscheidung, ob diese Rettungsmaßnahme rechtmäßig sei, liegt nun beim Bundesverfassungsgericht. Es haben über 35.000 Kläger ihr Veto gegen die EZB-Maßnahme eingelegt. Ihr Argument: Die Zentralbank belaste Deutschland mit unwägbaren Verlustrisiken.
Zunächst die klare Aussage: Es gilt, sich an das Gesetz zu halten. Nichtsdestotrotz muss die Zeit vielleicht zurückgedreht werden. Die EZB musste in einer Situation handeln, wo – um es einmal deutlich zusagen – die Politik ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Sie hat die Euro-Krise nicht gelöst.
Wir hatten damals in den Problemländern Italien und Spanien kurzfristige Zinsen auf exorbitant hohem Niveau. Deshalb war Handeln angesagt, sonst hätte der Markt oder die Stimmung am Markt auch Fakten geschaffen, die uns vielleicht nicht gefallen hätten. Es war die Aussage von EZB-Chef Mario Draghi: „Ich kaufe, was notwendig ist, unbegrenzt“, die zur Beruhigung der Märkte geführt hat. Also hat die EZB da aus Sicht der Märkte gut gehandelt. Ob dies im Einklang mit dem Grundgesetz ist und welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, bleibt vorerst das kontroverse Thema in Karlsruhe.
Wie gefährlich diese Tage in Karlsruhe für die Euro-Zone sind, wird vom ausstehenden Urteil abhängen. Wenn die Richter zu dem Urteil kämen, die Handlung gehe mit dem Grundgesetz nicht konform, dann könnte die Empfehlung für Deutschland kommen, aus der Währungsunion auszutreten. Oder dass Nachverhandlungen mit dem europäischen Parlament notwendig wären. Dies würde an den Märkten zu deutlichen Turbulenzen führen – sowohl auf der Anleihen- als auch auf der Aktienseite.
Der „Safe Haven“ könnte dann höchstens noch in Gold oder in sichereren Staatsanleihen wie deutschen oder amerikanischen liegen. Aktien würden in dem Szenario unter die Räder kommen und die Zinsen in den Problemländern würden wieder deutlich steigen. Unruhige Tage lägen dann vor uns.
Der Anleger muss bei seiner Markt-Positionierung nun entscheiden, von welchem Urteil er ausgeht. Es könnte beispielsweise passieren, dass wir durchgewunken werden. Wir erinnern uns, dass der ESM selbst bereits im Schnellverfahren mit mahnenden Worten durchgegangen ist. Das kann hier auch passieren.
Möglich ist auch, dass der Bundesfinanzminister den Auftrag bekommt, innerhalb des Gouverneursrates der EZB die rote Linie zu halten und nichts ohne parlamentarische Zustimmung zu tun. Es könnte auch sein, dass er an das europäische Gericht verwiesen wird. In beiden Fällen würden wir an den Märkten nach dem Urteil nichts direkt merken. Es gäbe danach vielleicht sogar eine kleine Erholungsrallye in den Aktien.
Lassen sie uns also auf den Ausgang warten und davon ausgehen, dass nicht das Schlimmste passiert.